
Auf Einladung von Arne Zerbst: Annette Haug, Sakrale Atmosphären. Das Beispiel des antiken Pompeji
Dienstag, 30. November 2021, 19 Uhr
Kesselhaus der Muthesius Kunsthochschule
Dass Orte, Städte oder Räume eine eigene Atmosphäre besitzen, nehmen wir unmittelbar und subjektiv wahr. Doch scheinen sie einfacher und schneller gespürt als analysiert und detailliert beschrieben zu sein, obwohl sie unseren Alltag und bisweilen unser Handeln prägen. (1)
Annette Haug forscht zu Atmosphären in der römischen Antike und adressiert damit Fragen der visuellen Organisation, decorativen Gestaltung und Erfahrbarkeit von Architektur in ihrem historischen Kontext. Am Beispiel der Heiligtümer der vom Vesuv verschütteten Stadt Pompeji (79 n. Chr.) zeigt sie, dass die Gestaltung und Wahrnehmung sakraler Orte nicht ausschließlich von dem prominentesten Gebäude – dem Tempel – geprägt ist. Vielmehr konstituieren sich sakrale Atmosphären aus der Summe aller Gestaltungselemente im Zusammenspiel mit Handlungen und Akteuren. Sakrale Atmosphären nehmen sich dadurch nach Heiligtum verschieden aus.
(1) Oftmals sind es (zunächst) unbewusst wahrgenommene Nuancen oder „Stimmungen“, die darüber entscheiden, welche unsere Lieblingsbar ist, welchen Heimweg wir abends meiden oder welcher Kircheninnenraum uns am stärksten ergreift.
Annette Haug ist Lehrstuhlinhaberin für Klassische Archäologie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Nach ihrer deutsch-französischen Promotion an den Universitäten Heidelberg und Paris-Sorbonne und mehreren Auszeichnungen (Reisestipendium des DAI, Feodor-Lynen-Stipendium der Alexander-von-Humboldt-Stiftung) wurde sie 2009 an der Universität Leipzig habilitiert. Im Anschluss an ein Heisenberg-Stipendium der DFG berief man sie auf den Kieler Lehrstuhl, den sie mit ihren Arbeiten maßgeblich prägt. Auch wenn die Klassische Archäologie zu den ‚kleinen Fächern‘ gehört, integrierte Annette Haug ihre Forschungen und ihr Fach in große Verbundprojekte (SFB 1266 TransformationsDimensionen, Exzellenzcluster ROOTS). Mit ihrem Projekt „Decorative Principles in Late Republican and Early Imperial Italy“ (2016–2022) erhielt Annette Haug vom Europäischen Forschungsrat einen der begehrten ERC Consolidator Grants. In diesem Rahmen adressierte sie das ästhetische und semantische Zusammenspiel von Architektur und dekorativer Gestaltung [decor/decorum], um für antike Decor-Räume Aussagen zu Ausstattungsstrategien und Wahrnehmungsprinzipien treffen zu können. Im Jahr 2019 wurde sie mit dem Kieler Wissenschaftspreis ausgezeichnet.